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Bei Gelegenheit berichten wir auf dieser Seite über neue Entwicklungen, Entscheide, Ereignisse und Tipps
im Bereich des Rechts:

Neue Gesetzes für das Jahr 2021

Jedes Jahr bringt neue Gesetzesbestimmungen. Hier eine Auswahl der neuen Bestimmungen für das Jahr 2021:

1. Allgemein: Vereinfachungen und Erleichterungen

Das Jahr 2020 war nicht einfach und für viele aufgrund derCovid-19-Pandemie sogar sehr belastend. Wir hoffen, wir können mit dieser Übersicht bzgl. der neuen gesetzlichen Regelungen, den Einstieg in das Jahr 2021 erleichtern. Dieser Beitrag enthält nicht sämtliche Gesetzesänderungen, sondern nur die wichtigsten. Zudem weisen wir darauf hin, dass es sich hier nicht um ein juristisches Gutachten handelt. Vieles wurde vereinfacht, um den Leser einen ersten Überblick zu ermöglichen und das Verständnis zu erleichtern.

2. Vaterschaftsurlaub: Werden Sie demnächst Vater? Glückwunsch und wir haben gute Nachrichten!

Teamwork makes the dream work! Entsprechend ermöglicht der neue Art. 329g OR, dass neue Väter die neuen Müttern nach der Geburt des neuen Erdenbürgers besser unterstützen können. Nun haben Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Geburt eines Kindes dessen rechtlicher Vater sind (oder dies innerhalb der folgenden sechs Monate werden), Anspruch auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Dieser muss innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden. Er kann wochen- oder tageweisebezogen werden.

Um sicherzustellen, dass sich Familien den Vaterschaftsurlaub auch leisten können, besteht ein Anspruch auf eine Vaterschaftsentschädigung, die 80 % des vor der Geburt erzielten durchschnittlichen Erwerbseinkommens entspricht, höchstens aber 196 Franken pro Tag (Art. 16l EOG). Die Taggeldentschädigung wird Arbeitnehmern, Selbständigerwerbenden und u.U. auch Nichterwerbstätigen ausgerichtet.

Weitere Informationen erhalten Sie unter: https://www.ahv-iv.ch/de/News-Infos/post/vaterschaftsentschaedigung.

3. Das war‘s mit der Erbschaft! Ergänzungsleistungen sind nun geborgtes Glück!

Gemäss Art. 111 Abs. 1 BV trifft der Bund Massnahmen für eine ausreichende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Hierfür bestehen drei Säulen, nämlich die eidgenössische Alters‑, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (erste Säule), die berufliche Vorsorge (zweite Säule) und die Selbstvorsorge (dritte Säule). Zur ersten Säule gehören auch die Ergänzungsleistungen. Solche Unterstützungsmassnahmen sind nicht Teil der Sozialhilfe.

Bund und Kantone richten Ergänzungsleistungen an Personen aus, deren Existenzbedarf durch die Leistungen der Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenversicherung nicht gedeckt ist (Art. 112a BV). Die Ergänzungsleistungen sollen also für jene ein Sicherheitsnetz bieten, die über kein genügendes Alterseinkommen oder -vermögen verfügen. Diese werden auch relativ früh ausbezahlt, denn selbst Wohneigentümer können grundsätzlich Ergänzungsleistungen beanspruchen (Art. 9a Abs. 2 ELG). Der Staat verlangt also nicht, dass Rentner bspw. ihr generationenaltes Familienhaus verkaufen und den Erlös aufbrauchen, damit sie staatliche Unterstützung beantragen können. Das hört sich soweit relativ sozial an.

Weniger sozial ist der neue Art. 16a ELG, wonach rechtmässig bezogene Ergänzungsleistungen nach dem Tod der Bezügerin oder des Bezügers aus dem Nachlass zurückerstattet werde müssen, wobei die Rückerstattung nur von demjeni­gen Teil des Nachlasses zu leisten ist, der den Betrag von 40 000Franken über­steigt. Bei Ehepaaren entsteht für die Erben eine Rückerstat­tungspflicht erst aus dem Nachlass des Zweitverstorbenen – wenn also beide Ehepartnerverstorben sind.

Mussten bspw. die Eltern über Jahrzehnte hinweg Ergänzungsleistungen beziehen, werden nach deren Hinscheiden sich die Kinder bzw. Erben u.U. gezwungen sehen, das Familienhaus zu verkaufen, um die Rückerstattungsforderungen für die geleisteten Ergänzungsleistungen zu decken oder gar das Erbe ganz auszuschlagen.

Diese neue gesetzliche Änderung hat sicherlich den Anreiz zum Sparen für die nächste Generation vermindert und fördert Einstellungen wie: „Nach mir die Sintflut“.

Hierzu ist der folgende Beitrag des SRF empfehlenswert: https://www.srf.ch/news/schweiz/neue-regelung-ab-2021-erben-muessen-fuer-ergaenzungsleistungen-von-verstorbenen-aufkommen, und bei weiteren Fragen kontaktieren Sie uns doch gleich unter: info@swiss-law-solutions.com.

4. Urlaub für die Betreuung von Angehörigen

Aufgrund demographischer Entwicklungen in der Schweiz hat der Gesetzgeber beschlossen, das Obligationenrecht sowie das Sozialversicherungsrecht der neuen Realität anzupassen, um eine Betreuung durch Angehörige zu ermöglichen. Dies wird in zwei Etappen erfolgen.

Die erste Etappe beginnt ab dem 1. Januar 2021. Ab dann haben Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer dank dem neuen Art. 329h OR Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Zeit, die zur Betreuung eines Familienmitglieds, einer Lebenspartnerin oder eines Lebenspartners mit gesundheitlicher Beeinträchtigung notwendig ist; der Urlaub beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr.

Auch besteht nun gemäss Art. 29septies Abs. 1 AHVG die Möglichkeit der Anrechnung einer Betreuungsgutschrift in der AHV. Zudem werden nun Intensivpflegezuschläge und Hilflosenentschädigungen der IV während eines Spitalaufenthalts eines Kindes während mindestens eines Monats geleistet. Sollte die Anwesenheit der Eltern auch nach diesem Monat erforderlich sein, besteht der Anspruch fort (Art. 42bis Abs. 4 IVG).

In der zweiten Etappe besteht ab dem 1. Juli 2021 für erwerbstätige Eltern ein Anspruch auf einen 14-wöchigen Urlaub für die Betreuung eines schwer kranken oder verunfallten Kindes. Dieser Betreuungsurlaub ist innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten zu beziehen(Art. 329i nOR). Die Betreuungsentschädigung wird über die Erwerbsersatzordnung (EO) ausbezahlt (Art. 16n-16s EOG).

5. Das Rechtsüberholen ist auch im Jahr 2021 untersagt (Art. 36 Abs. 5 VRV)

Bezüglich des Rechtsvorbeifahrens – die Spur wird also nicht gewechselt – hat sich aber Folgendes geändert: Bisher war das Rechtsvorbeifahren nur im parallelen Kolonnenverkehr erlaubt –also wenn sich auf beiden Fahrstreifen eine Kolonne gebildet hat. Ab 2021 ist gemäss Art. 36 Abs. 5 lit. a VRV das Vorbeifahren auf der rechten Spur auch erlaubt, wenn sich eine Kolonne nur auf dem linken oder auf dem mittleren Fahrstreifen gebildet hat. Die neue Regelung wird in einem Youtube-Video des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) veranschaulicht: https://www.youtube.com/watch?v=7Yoozxr_MVM

Das Reisverschlussprinzip wird nun ausdrücklich in der Verordnung festgehalten: Falls auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen in eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht mehr möglich ist oder falls ein Fahrstreifen endet, müssen Automobilisten gemäss Art. 8 Abs. 5 VRV die Fahrzeuge der abgebauten Spur unmittelbar vor Beginn der Verengung einschwenken lassen. Damit soll verhindert werden, dass bei Spurabbauten zu früh auf die verbleibende Spur gewechselt wird. Missachtungen werden nun mit einer Ordnungsbusse geahndet. Ein Veranschaulichungsvideo der ASTRA dazu finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=i7U_MsNQGCA  

Des Weiteren besteht nun, falls der Verkehr auf Schritttemporeduziert wird, gemäss Art. 36 Abs. 7 VRV auf Autobahnen und Autostrassen mit mindestens zwei Fahrstreifen in eine Richtung die Pflicht zur Bildung von Rettungsgassen. D.h., Fahrzeuge müssen für die Durchfahrt von Polizei-,Sanitäts-, Feuerwehr-, Zoll- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äussersten linken und dem unmittelbar rechts danebenliegenden Fahrstreifen eine freie Gasse bilden. Das Nichtbeachten der Rettungsgasse wird mit einer Ordnungsbusse geahndet. Der folgende Link unterstreicht die Notwendigkeit dieser Bestimmung: https://www.20min.ch/story/topmanager-kommt-ohne-strafe-davon-172800522077.

Radfahrer und Mofafahrer dürfen nun an Ampeln bei Rotlichtrechts abbiegen, falls neben dem roten Licht das Signal «Rechtsabbiegen für Radfahrer gestattet» angebracht ist (Art. 69a Abs. 1. SSV).

Bisher durften nur Kindergärtner mit dem Velo auf dem Gehsteig fahren. Nun ist es auch 12-Jährigen erlaubt mit dem Fahrrad das Trottoir zu benützen, falls kein Radweg oder Radstreifen vorhanden ist (Art. 41Abs. 4 VRV).  

6. Eingeschriebene Sendungen können ohne Unterschrift empfangen werden

Für den Empfang eines eingeschriebenen Briefes muss man neu nicht mehr anwesend sein. Nun besteht die Möglichkeit, eine elektronische Zustellgenehmigung zu erteilen, welche die Unterschrift ersetzt. Die eingeschriebene Sendung kann dann direkt in den Briefkasten oder das Postfachgelegt werden (Art. 29 Abs. 4bis VPG).

7. Stärkung der Vertretung der Geschlechter in der Unternehmensleitung

Gemäss Art. 734f OR müssen grössere (i.S.v. Art. 727 Abs. 1 Ziff. 2OR) börsenkotierte Gesellschaften, sofern nicht jedes Geschlecht mindestens zu 30% im Verwaltungsrat und zu 20% in der Geschäftsleitung vertreten ist, im Vergütungsbericht die Gründe für die Unterschreitung der Geschlechterquote und die Korrekturmassnahmen angeben.

8. Weitere Einschränkung von Werbeanrufen

Gemäss dem neuen Art. 3 Abs. 1 lit. u UWG sind Werbeanrufe nur noch bei Nummern erlaubt, die im Telefonverzeichnis aufgelistet sind, soweit kein Vermerk besteht, wonach solche Werbemitteilungen unerwünscht sind. Ist die Nummer des Angerufenen also im Telefonverzeichnis mit einem solchen Vermerkeingetragen (dies galt bereits bisher) oder ist die Nummer – gemäss neuem Recht – gar nicht im Telefonverzeichnis eingetragen, dann ist ein Anruf zu Werbezwecken verboten!

Auch muss der Werbeanruf von einer Rufnummer aus getätigt werden, die beim Empfänger angezeigt wird, im Telefonverzeichnis eingetragen ist und zu deren Nutzung der Anrufer berechtigt ist (Art. 3 Abs. 1 lit. v UWG).

Notabene: Eine Verletzung von Art. 3 UWG wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 23 Abs. 1UWG).

9. Der Gesetzgeber dreht den Spiess um: Jetzt muss die SBB für Verspätungen zahlen (Art. 21b PBG)

Ab einer Verspätung von mehr als einer Stunde muss die SBB neu 25% des Billettpreises zurückvergüten. Ab einer Verspätung von zwei Stunden gilt sogar ein Satz von 50%. Auch Aboinhaber haben einen Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 61 VPB). Diese Regelung wurde vom EU-Recht übernommen.

10. Modernisierung des Handelsregisters und Revision der Handelsregisterverordnung

Mit der Revision des Handelsregisterrechts hat der Gesetzgeber zahlreiche Bestimmungen aus der HRegV in das OR überführt, womit sich die Verordnung nun auf Ausführungsbestimmungen beschränkt. Ebenso haben die Neuerungen diverse Vereinfachungen zur Folge, womit die Wirtschaft um ca. CHF 14 Mio. pro Jahr entlastet wird. Hier werden die wesentlichsten Änderungen kurz aufgelistet:

a) Bevollmächtigte können neu Anmeldungen beim Handelsregister vornehmen (Art. 17 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 HRegv)

b) Art. 27 HRegV regelt nun ausdrücklich die Korrektur von Redaktions- und Kanzleifehlern.

c) Einzelunternehmen, Kollektivgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Vereine und Instituten des öffentlichen Rechts, denen wegen der Mehrwertsteuerpflicht bereits eine Unternehmensidentifikationsnummer zugewiesen wurde, müssen diese bei der Anmeldung beim Handelsregister angeben(Art. 37 Abs. 2, Art. 40 Abs. 2, Art. 90 Abs. 3 und Art. 106 Abs. 3 HRegV). Diese Unternehmensformen können nämlich schon vor Eintragung im Handelsregister in Existenz gerufen werden. Mit dieser Bestimmung will der Gesetzgeber vermeiden, dass das Handelsregisteramt aus Versehen eine neue Identifikationsnummer vergibt.

d) Die Eintragungspflicht von Einzelunternehmen, die einen Umsatzerlös von mindestens CHF 100'000 erzielen, wurde in der HRegV gestrichen und in das OR überführt (Art. 931 OR).

e) Mit der Stampa-Erklärung wird festgehalten, dass keine anderen Sacheinlagen, Sachübernahmen (auch beabsichtigte), Verrechnungstatbestände oder besondere Vorteile bestehen, als die in den Belegen genannten. Die Stampa-Erklärung wird mit der Revision als separater Beleg abgeschafft bzw. Art. 43 Abs. 1 lit. h, Art. 46 Abs. 2 lit. g, Art.54 Abs. 1 lit. f, Art. 66 Abs. 1 lit. g, Art. 71 Abs. 1 lit. i, Art. 74 Abs. 2lit. f, Art. 84 Abs. 1 lit. g HRegV wurden abgeschafft. Diese Erklärung muss nun im Errichtungs- oder Kapitalerhöhungsakt ausdrücklich festgehalten werden(Art. 44 lit. g Ziff. 4, Art. 47 Abs. 2 lit. e, Art. 54 Abs. 2 lit. e, Art. 67lit. e Ziff. 4, Art. 72 lit. e Ziff. 5, Art. 75 Abs. 2 lit. f, Art. 85 lit. h HRegV).

f) Nach bisherigem Recht wurden die Zweckangaben für den Eintrag im Handelsregister in der Praxis manchmal gekürzt. Für die Eintragung übernimmt das Handelsregisteramt nun die Umschreibung des Zwecks der Rechtseinheit unverändert aus den Statuten oder der Stiftungsurkunde(Art. 118 Abs. 2 HRegV).

g) Die Bestimmungen zur Registersperre (Art.162 und Art. 163 HRegV) wurden gelöscht. Gemäss dem bisherigen Recht war es möglich, beim Handelsregisteramt die Sperrung von neuen Einträgen ohne Begründung zu verlangen. Solchen Anträgen mussten die Handelsregisterämter folgen, wobei die antragstellende Partei die gerichtliche Verfolgung ihrer Ansprüche innert zehn Tagen beim zuständigen Handelsregisteramt nachweisen musste. Nach dem neuen Recht müssen sich Rechtssuchende direkt an das Gericht wenden, und das Gericht ordnet dann im Rahmen einer superprovisorischen oder provisorischen Massnahme die Handelsregistersperre gemäss Art. 262 lit. c ZPO an.

h) Mit Art. 928b OR, Art. 14a und Art. 24a f. HRegV wurde die Grundlage für eine zentrale Datenbank für Personen, die in den kantonalen Registern eingetragen sind, geschaffen. Zur Identifizierung von natürlichen Personen verwenden die Handelsregisterbehörden systematisch die AHV-Versichertennummer (Art. 928c OR). Die AHV-Versichertennummer verbleibt aber nicht öffentlich (Art. 936 Abs. 1 OR). Im Handelsregister eingetragenen Personen wird eine nichtsprechende Personennummer zugeteilt, die öffentlich einsehbar ist (Art.928c Abs. 3 OR und Art. 119 Abs. 1 lit. i HRegV). Diese Personennummer lässt aber keine Rückschlüsse auf die AHV-Versichertennummer zu.

i) Die Bestimmungen zu den Eintragungen von Amtes wegen und der Wiedereintragung gelöschter Rechtseinheiten (Art. 152ff. HRegV) wurden vereinheitlicht bzw. vereinfacht. Nun finden sich die Grundbestimmungen im OR (Art. 934 ff.).

j) Gemäss Art. 936 Abs. 2 OR ist es nun zumindest möglich neben den Einträgen sich gebührenfrei auch Einblick in die Statuten und Stiftungsurkunden im Internet zu verschaffen.

k) Der Gutglaubensschutz bezüglich der im Handelsregister eingetragenen Tatsachen wird in Art. 936b Abs. 3 OR ausdrücklich kodifiziert. Dieser Grundsatz wurde aber bereits vor der Revision von der Lehre anerkannt.

l) Gemäss Art. 29a HRegV werden die Eintragungen in das Handelsregister nach dem Zeichensatz der ISO-Norm 8859-15 erfasst.

m) Die GebV-HReg wurde totalrevidiert mit der Folge, dass Gebühren für die Tätigkeiten der Handelsregisterämter um einen Drittel gesenkt wurden.

11. Umwandlung von Inhaberaktien und Meldepflicht der Aktionäre bis 30. April 2021

In diesem Rahmen möchten wir noch darauf hinweisen, dass Inhaberaktien bereits seit dem 1. November 2019 nur noch zulässig sind, wenn die Aktiengesellschaft Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert oder die Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des Bucheffektengesetzes ausgestaltet hat. Nach Ablauf von 18 Monaten nach Inkrafttreten von Art. 622 Abs. 1bisOR, d. h. am 1. Mai 2021, werden unzulässige Inhaberaktien von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt (Art. 4 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. Juni 2019). Dann weisen die Handelsregisterämterjede Anmeldung zur Eintragung einer anderen Statutenänderung in das Handelsregister zurück, solange diese Anpassung bezüglich der Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien nicht statutarisch vorgenommen worden ist.

Für Inhaberaktionäre kann dies zudem unangenehme Folgen haben. Denn gemäss Art. 697i OR besteht seit dem 1. Juli2015 für Erwerber von Inhaberaktien grundsätzlich – Ausnahmen vorbehalten –die Pflicht, sich bei der Gesellschaft zu melden. Aktionäre, die dieser Meldepflicht vor der Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien am 30.April 2021 nicht nachgekommen sind, können ihre Aktionärsrechte vorerst nicht mehr ausüben. Diese Aktionäre müssen innert fünf Jahren nach Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis – d.h. bis zum 1. November2024 – mit vorgängiger Zustimmung der Gesellschaft beim Gericht ihre Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft beantragen.

Das Gericht heisst den An­trag nur gut, wenn der Aktionär seine Aktionärseigenschaft nachweist (Art. 7 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. Juni 2019). Aktionäre, welche innerhalb der Fünfjahresfrist ihre Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft nicht beantragt haben, verlieren ihre Rechte sogar endgültig (Art. 8 Abs.1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 21. Juni 2019)!

Weiter verweisen wir auf die Anleitung zum Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke: https://so.ch/fileadmin/internet/fd/fd-as-hr/pdf/Anleitung.pdf. Bei weiteren Fragen können Sie uns direkt kontaktieren: info@swiss-law-solutions.com.  

Im Rahmen der Handhabung der Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien ist die Zeit auch gut zu überprüfen, ob das Aktienbuch und das Verzeichnis deswirtschaftlichen Berechtigten richtig geführt werden, damit u.a. die Meldepflichten und Verzeichnisführungspflichten von Art. 327 und Art. 327a StGB nicht verletzt werden.

12. Neue Regelung für die Prozesskostenvorteilung bei gesellschaftsrechtlichen Klagen

Nennenswert ist ebenso die neue Regelung in Art. 107 Abs. 1bis ZPO, wonach das Gericht die Prozesskosten bei Abweisung gesellschaftsrechtlicher Klagen, die auf Leistung an die Gesellschaft lauten, nach Ermessen auf die Gesellschaft und die klagende Partei aufteilen kann. D.h., dass die Gesellschaft, zu deren Gunsten geklagt wird, – die aber nicht Prozesspartei ist – u.U. die Prozesskosten oder einen Teil davon tragen muss. Der Gesetzgeber will einem Kläger damit die Angst nehmen, die Prozesskosten tragen zu müssen. Diese Absicht des Gesetzgebers wird nur beschränkte Wirkung erzielen und es handelt sich bei Art. 107 Abs. 1bis ZPO nach wie vor um eine Kann-Vorschrift, deren Anwendung im Ermessen des Gerichtsliegt.

13. Totalrevision des öffentlichen Beschaffungswesens

Das öffentliche Beschaffungswesen zeichnet sich durch sein Zusammenspielzwischen Bestimmungen auf internationaler, nationaler, interkantonaler und kantonaler Ebene aus. Dies kann es dem juristischen Laien erschweren, sich einen Überblick über die relevanten Bestimmungen zu verschaffen. Es ist vor allem zu prüfen, welche Bestimmung welcher Ebene zur Anwendung kommt.

Grundlage des Schweizer Vergaberechts bildet das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA), welches von der Schweiz bereits 1995 ratifiziert wurde. Dieser völkerrechtliche Vertrag wurde am 30. März 2012 erneuert (GPA 2012). Diese Revision soll nun den Wettbewerb unterstützen und ebenso die Nachhaltigkeit fördern. Durch Transparenz und Bekämpfung von Korruption möchte die WTO dies Erreichen. Ferner wurde auch der Text des Übereinkommens verbessert. Auch wird den elektronischen Instrumenten wie elektronischen Auktionen Rechnung getragen. Gegenstand der Revision ist zudem die Erweiterung des persönlichen und des sachlichen Geltungsbereichs. Das GPA 2012 anerkennt nun auch das Erreichen von Umweltzielen als Angebotskriterium und möchte den Rechtsschutz von Anbietern und Anbieterinnen mit neuen Beschwerdemöglichkeiten verbessern.

Entsprechend musste der Gesetzgeber diese Neuerungen auf internationaler Ebene in das nationale Gesetzimplementieren. In diesem Rahmen nutzten der Bund und die Kantone die Gelegenheit, um die Beschaffungsordnungen auf der Ebene des Bundes und der Kantone einander anzugleichen.

Nach der Annahme des revidierten BöB durch die Bundesversammlung am 21. Juni 2019 und dem Verstreichen der Referendumsfrist am 10. Oktober 2019 konnte der Bundesrat am 2. Dezember2020 die Ratifikationsurkunde für das GPA 2012 hinterlegen. Es trat nun zeitgleich mit dem revidierten BÖB und VöB am 1. Januar 2021 in Kraft.

Im Rahmen der Revision des BöB wurde auch die interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen revidiert (revIVöB). Diesem Konkordat müssen die Kantone beitreten, damit es auch seine Wirkung entfalten kann. Das Beitrittsverfahren wurde in einzelnen Kantonen eingeleitet.

Mit der Revision des BöB wird nun das Verbot der Abgebotsrunden auf Bundesebene eingeführt (Art. 11lit. d BöB). Dies galt bereits auf kantonaler Ebene. Konkret bedeutet dies, dass es nicht zulässig ist, Verhandlungen zu führen, die nur den Preis zum Gegenstand haben. Der Gesetzgeber möchte so verhindern, dass die Anbieter mit ihren Preisen zu hoch einsteigen, im Wissen, dass sie diese später nach unten korrigieren können. Verhandlungen über den Preis sind im Rahmen der Angebotsbereinigung (Art. 39 BöB/ revIVöB) und des Dialogs (Art. 24BöB / revIVöB) aber weiterhin möglich.

Das Submissionsrecht kennt grundsätzlich vier Verfahren, um für die Auftraggeberin (der Staat) einer Anbieterin einen Auftrag vorzulegen.

Es gibt

i) das offene Verfahren (Art. 18 BöB /revIVöB) – wo jeder teilnehmen kann;

ii) das selektive Verfahren (Art. 19 BöB /revIVöB) – wo nur bestimmte Anbieterinnen teilnehmen können;

iii) das Einladungsverfahren (Art. 20 BöB /revIVöB) – wo die Auftraggeberin bestimmte Anbieterinnen einlädt; und

iv) das freihändige Verfahren (Art. 21BöB / revIVöB) – wo die Auftraggeberin einen öffentlichen Auftrag direkt ohne Ausschreibung vergibt.

Nun wurde beschlossen, dass bei Folgebeschaffungen stets das freihändige Verfahren zur Anwendung kommt, falls ein Wechsel der Anbieterin a) aus wirtschaftlichen oder b) technischen Gründen nicht möglich ist, c) erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde oder d) substanzielle Mehrkosten mit sich bringen würde (Art. 21 Abs. 2lit. e BöB / revIVöB). Folgebeschaffungen betreffen Leistungen zur Ersetzung, Ergänzung oder Erweiterung bereits erbrachter Lieferungen, Bau- oder Dienstleistungen der ursprünglichen Anbieterin. Hinsichtlich der letzten Ausschlussmöglichkeit des Wettbewerbs (substantielle Mehrkosten) liegt die Schwelle sehr hoch. In jedem Fall muss die Auftraggeberin die Folgebeschaffung durch freihändiges Verfahren gut begründen.

Mit Art. 29 BöB / revIVöB wurden auch die Zuschlagskriterien aktualisiert. Es handelt sich hierbei um eine nicht abschliessende Aufzählung. Besonders der Aspekt der Nachhaltigkeit als Zuschlagskriterium hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Es erfasst Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Soziales. Somit können Fair-Trade-Produkte mehr Gewicht haben.

Als grosse Errungenschaft und Paradigmenwechsel wird Art. 41 BöB angepriesen. Ob das tatsächlich so ist, wird sich zeigen. Ausgangpunkt dieser Änderung war nämlich die Revision im GPA 2012 wonach der Zuschlag an den „most advantageous tender“ gehen soll. Noch in der Botschaft vom 15. Februar 2017 war der Bundesrat aber der Ansicht, dass das bisherige nationale Recht diese Anforderung des WTO-Übereinkommens erfüllt, und entsprechend wollte er den bisherigen Wortlaut aus dem bisherigen Art. 21 aBöB in den Entwurf des Art. 41 BöB übernehmen: „Das wirtschaftlich günstigste Angebot erhält den Zuschlag.“ Insbesondere hielt der Bundesrat fest, dass „‘Wirtschaftlich günstig‘ nicht gleichbedeutend mit ‚billig‘ [ist]“. Schlussendlich war das Parlament jedoch der Ansicht, dass der Begriff „vorteilhafteste Angebot“ es besser zum Ausdruck bringt, dass neben dem Preis weitere Faktoren mitbewertet werden. Dies war aber bereits vor der Revision der Fall. Es ist auch daran zu erinnern, dass der Bundesrat in der Botschaft ausdrücklich festhielt, dass „der Angebotspreis […] immer, aber nur ausnahmsweise allein ausschlaggebend [ist] (Art. 41). Unzulässig wäre es, Angebote ausschliesslich anhand preisfremder Kriterien zu bewerten und auszuwählen “. Auf alle Fälle möchte der Gesetzgeber den Fokus auf weitere Zuschlagskriterien ausweiten.

Es ist daran zu erinnern, dass die Gerichtsferien weder im Submissions- noch im Rechtsmittelverfahren zu Anwendung kommen (Art. 56 Abs. 2 BöB / revIVöB).

Eine sonderbare neue Regelung hat der Gesetzgeber in Art. 52 Abs. 2 BöB getroffen. Zum einen wird der Rechtsschutz erweitert – was grundsätzlich erfreulich ist. Bisher war die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht bei Aufträgen ausserhalb des Staatsvertragsbereichs nicht möglich (Art. 39 des bisherigen VöB). Zum andern beschränkt sich der Rechtsschutz aber auf die Feststellung der Verletzung von Bundesrecht. Mit dem Feststellungsbegehren kann ein Schadenersatzbegehren verbunden werden. Dieser ist aber auf die erforderlichen Offertaufwendungen beschränkt. D.h., die widerrechtliche Vergabe des Auftrags kann – ausserhalb des Staatsvertragsbereichs – an sich im Rechtsmittelweg nicht verhindert werden! Bei Art. 52 Abs. 2 BöB handelt sich also eher um einen Papiertiger.

Diese Übersicht ersetzt natürlich im konkreten Fall nicht die Beratung mit einem kompetenten Anwalt.

Wir wünschen Ihnen und Ihren Unternehmen viel Erfolg in 2021 und stehen Ihnen für eine Beratung gerne zur Verfügung!